Moderator: Laute Musik, Dreckder DreckDreck, ein bellender Hund – es gibt viele Ursachen für Konflikte in der Nachbarschaft. Manchmal geht das so weit, dass ein Umzugder Umzug/die UmzügeUmzug die einzige Lösung zu sein scheint. Heute habe ich Annette Meyer, Expertin für Streitschlichtungdie Streitschlichtung/die StreitschlichtungenStreitschlichtung, zu mir ins Studio eingeladen, um über dieses Thema zu sprechen. Annette, kannst du uns ein paar Tipps geben, wie man mit problematischen Nachbarn am besten umgeht?
Annette Meyer: Ja, natürlich. Konflikte gehören zum Alltag sowohl im Berufsleben als auch in der Nachbarschaft. In meinem Job als Mediatorin bin ich fast jeden Tag damit konfrontiert und versuche dabei zu helfen, die Konflikte friedlich zu lösen.
Moderator: Was sind aus deiner Erfahrung die häufigsten Themen, über die Nachbarn streiten?
Annette Meyer: Ich denke, ich verrate hier nichts Neues, denn die klassischen Streitthemen unter Nachbarn sind tatsächlich Rasenmähen zur falschen Uhrzeit, Dreck im Hausflur oder die offengelassene Haustür. Allerdings bin ich der Meinung, dass oft mehr dahintersteckt.
Moderator: Was meinst du damit?
Annette Meyer: Manchmal sind das nur Warnsignale, dass sich die Interessen der Nachbarn nicht überschneiden. Lärm oder Dreck sind nur die Spitze des Eisbergsdie Spitze des EisbergsSpitze des Eisbergs, weil es sich vielleicht eigentlich um tiefergehende Probleme handelt wie Einsamkeit, soziale Ausgrenzung, Isolierung usw.
Moderator: Warum kommt es gerade unter Nachbarn so häufig zu Streitigkeiten?
Annette Meyer: Nachbarn leben in einer Zwangsgemeinschaft – sie wohnen nebeneinander, aber ihre Welten, Perspektiven und Lebensweisheiten sind oft sehr unterschiedlich. Deswegen haben sie auch unterschiedliche Gewohnheiten und Erwartungen. Wenn wir zum Beispiel eine Studenten‑WG oder eine junge Familie mit einem Rentnerpaar vergleichen, lässt sich ganz einfach feststellen, dass sie einen komplett anderen Alltag haben. Sie haben unterschiedliche Erwartungen an ihr Umfeld – das birgt Konfliktpotenzial.
Moderator: Welche Tipps kannst du Nachbarn geben, damit sie Konflikte lösen, bevor sie im Streit enden?
Annette Meyer: Am wichtigsten ist es, die eigenen Motive zu erkennen. Warum werde ich wütend, was geht mir auf die Nerven, was kann ich ertragen und was stört mich? Wenn man das definiert und versteht, ist es leichter, negatives Denken abzuschalten und auf einer ganz anderen Ebene zu argumentieren. Denn es bringt natürlich nichts, den Nachbarn persönlich anzugreifen, sondern wir sollten einen Kompromiss eingehen und eine Lösung finden.
Moderator: Na gut, nehmen wir also an, dass ich einen problematischen Nachbarn habe, dessen Sohn jeden Abend bis nach Mitternacht laut Musik hört. Wie könnte ich damit konstruktiv umgehen?
Annette Meyer: Vor allem sollte man in so einer Situation nicht emotional reagieren, denn dann ist Streit gewissermaßen vorprogrammiert.
Moderator: Es ist aber doch selbstverständlich, dass ich viele Emotionen habe, denn der Lärm stört mich schließlich dermaßen, dass ich in meinem eigenen Zuhause keine Ruhe mehr habe.
Annette Meyer: Das stimmt. Wenn du aber emotional aufgeladen reagierst und sagst: „Wie haben Sie denn Ihren Sohn erzogen?”, dann provozierst du bei deinem Gegenüber eher eine Abwehrhaltungdie Abwehrhaltung/die AbwehrhaltungenAbwehrhaltung. Und außerdem verlierst du die Notwendigkeit aus den Augen, logisch und vernünftig zu argumentieren.
Moderator: Wie sollte ich also reagieren und was sollte ich sagen?
Annette Meyer: Du musst deinem Nachbarn erklären, warum dich das stört. Dass du beispielsweise ein starkes Bedürfnisdas Bedürfnis/die BedürfnisseBedürfnis nach Ruhe hast, dass du spät von der Arbeit oder aus der Schule kommst und dich bei dem Lärm einfach nicht erholen kannst. Wenn du die Situation auf diese Weise darstellst, wird dein Nachbar das bestimmt verstehen. Das ist sicherlich eine bessere Strategie als Unmutder UnmutUnmut, Geschreidas GeschreiGeschrei und Drohungendie Drohung/die DrohungenDrohungen.
Moderator: Ich verstehe – so kann ich zum Beispiel sagen: „Ich muss jeden Morgen um 7 Uhr aufstehen und kann bei dem Lärm nicht schlafen. Das macht es mir unmöglich, mich auszuruhen und zu erholen. Können Sie bitte dafür sorgen, dass Ihr Sohn die Musik nach 22 Uhr ausschaltet?“
Annette Meyer: Genau. Statt den Nachbarn mit Vorwürfender Vorwurf/die VorwürfeVorwürfen persönlich anzugreifen, kannst du erklären, warum diese Situation für dich ein Problem darstellt. So entsteht ein konstruktives Gespräch, das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt ist.
Moderator: Hast du noch weitere Tipps für den Umgang mit problematischen Nachbarn?
Annette Meyer: Man sollte vor allem versuchen, gute Beziehungen aufzubauen und ein positiveres Umfeld für sich und die Nachbarn zu erschaffen. Das bedeutet nicht, dass du deine Bedürfnisse unterdrücken und jedes Verhalten akzeptieren solltest, nur um keine Konflikte mit den Nachbarn heraufzubeschwören. Wichtig ist eine gute Kommunikationsgrundlage. Damit ist man imstande zu verhindern, dass ein Konflikt eskaliert.
Moderator: Wie baut man also gute Beziehungen zu Nachbarn auf?
Annette Meyer: Die Antwort ist einfach – indem man sie achtet und ihr Eigentum respektiert. Es ist auch einfacher, verständnisvoll zu sein, wenn man mehr von den Nachbarn weiß. Ein kurzes freundliches Gespräch im Treppenhaus, einer Nachbarin die Tür aufhalten oder dabei helfen, Einkäufe in den zweiten Stock zu tragen – diese Verhaltensweisen tragen bestimmt zum Aufbau positiver nachbarschaftlicher Beziehungen bei.
Moderator: Das stimmt, aber in der heutigen Zeit, in der die Menschen oft umziehen und wir ständig in Eile sind und nur wenig Zeit haben, lernen wir unsere Nachbarn oft gar nicht richtig kennen. Wie kann man also Kontakt zu ihnen knüpfen?
Annette Meyer: Da hast du natürlich recht, deswegen denke ich, man sollte einfach jede Gelegenheit nutzen und sich vielleicht wenigstens erst mal vorstellen – das kann ein guter erster Schritt sein.
Moderator: Als Mediatorin hilfst du dabei, Streitigkeiten beizulegen. Worauf beruht dein Job eigentlich?
Annette Meyer: Die Konfrontation beispielsweise mit dem Nachbarn ist manchmal nicht so einfach. Dann braucht man die Hilfe einer neutralen Person – also einer Mediatorin wie mir. Ich begleite das Gespräch als neutrale dritte Instanz. Beide Parteien beschreiben mir nacheinander die Situation aus ihrer Sicht, ich höre erst mal nur zu, und dann suche ich eine gemeinsame Gesprächsebene. Wenn sich negative Emotionen ansammeln, verdecken sie oft die Fähigkeit, logisch zu denken und sich sachlich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Hier ist es meine Aufgabe, ein sachliches Gespräch zu ermöglichen und bestenfalls eine friedliche Lösung zu finden.
Moderator: Die beiden Seiten müssen aber kooperieren und eine Lösung finden wollen.
Annette Meyer: So ist es ja auch oft, sie haben nur Schwierigkeiten, ihren Standpunkt darzulegen und der anderen Partei verständlich zu machen, dass sie eigentlich ja gar keine bösen Absichten haben. Deshalb stehe ich ihnen mit Rat und Tat zur Seite und helfe ihnen, ihre Beschwerden und Bitten zu formulieren.
Moderator: Hast du persönlich eigentlich auch manchmal Probleme mit deinen Nachbarn?
Annette Meyer: Persönlich habe ich das noch nicht erlebt, denn ich sehe alle Schwierigkeiten aus einer anderen Perspektive und kann ziemlich schnell reagieren und vorbeugen, bevor es zu einem ernsten Konflikt kommt. Ich bin vielleicht auch verständnisvoller, und ich bin mit meinen Nachbarn befreundet. Wir gehen bei Problemen aufeinander zu und reden erst mal darüber.
Moderator: Annette, vielen Dank für das interessante Gespräch!